Zinsenverlierer und Krisengewinner

In unserer Wohnung ist es trotz der frühen Uhrzeit sehr warm. Mein frühmorgendlicher Espresso fühlt sich auch in diesem Umfeld gut an. Beim Blick aus dem Fenster erblicke ich einen Fahrer eines roten Luxussportwagens, dessen Gesicht trotz Morgendämmerung durch eine große, dunkle Sonnenbrille verdeckt ist. Wann haben Sie eigentlich den letzten Ferrari in der “freien” Wildbahn gesehen? Ein Blick auf die Wetter-App zeigt mir, dass die nächsten Tage schön und heiß werden. Ein sehr positiver Ausblick für den Ferrari-Fahrer und wahrscheinlich auch viele von uns.

Das kann man von der Weltwirtschaft wahrlich nicht behaupten. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat die Prognose für das Weltwirtschaftswachstum im Vergleich zur April-Prognose erneut deutlich zurückgenommen. Für 2022 wird ein Wachstum von 3,2% bzw. für 2023 von 2,9% prognostiziert. Das ist immerhin um 0,4% bzw. 0,7% weniger als in der April-Schätzung. Ausschlaggebend dafür ist die angespannte finanzielle Situation vieler Haushalte. Allein in den USA “kostet” die geringere Kaufkraft der Konsumenten in Kombination mit der veränderten Notenbankpolitik 2,3% BIP-Wachstum.

Steigende Zinsen sorgen bei Kreditnehmern für Sorgenfalten. Eine im Juli durchgeführte Umfrage in acht Ländern zeigt, dass die Hälfte der privaten Kreditnehmer unsicher darüber sind, ob sie ihre Kreditraten planmäßig bezahlen können. In den USA sieht sich gegenwärtig jeder zehnte Schuldner dazu definitiv nicht in der Lage. In Deutschland und Frankreich machen sich 47% dahingehend Sorgen bzw. sind 6% der Schuldner aktuell zahlungsunfähig. Tendenz wahrscheinlich stark steigend.

Die Welt wartet sehnsüchtig auf mehr als 20 Milliarden Tonnen Getreide aus der Ukraine. Diese Woche hat erstmals seit der russischen Invasion in die Ukraine ein Frachtschiff mit dem vielsagenden Namen „Razoni“ den Hafen Odessa Richtung London verlassen. Die ist neben Russland der wichtigste Getreidelieferant für den Weltmarkt. Russland und die Ukraine zeichnen sich in den ersten beiden Dekaden des 21. Jahrhunderts für rund 11,5% der Weltproduktion verantwortlich. Mit einem Anteil von rund 17% führt China das Ranking an. Ein Großteil der Produktion verbleibt allerdings im Gegensatz zu der Ukraine im Inland.

“In jeder Krise gibt es aber auch Gewinner.”

Der Russland-Ukraine-Konflikt, die Inflation und auch der heiße Sommer stellt viele Unternehmen vor große Herausforderungen. In jeder Krise gibt es aber auch Gewinner. Dazu gehören zweifelsohne Energieunternehmen, die im 2. Quartal Rekordgewinne einfahren konnten. So konnte der US-Riese Exxon einen Gewinn von $17,9 Milliarden ausweisen. Im Vergleich dazu erwirtschaftete der Konzern im Vorjahr „nur“ $4,7 Milliarden. Ähnlich verhält den Europäern Shell, TotalEnergies oder Repsol. Der politische Gegenwind wird aber immer rauer. US-Präsident Joe Biden oder der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz äußerten sich bereits kritisch. Das ist wenig verwunderlich, schließlich schlagen die exorbitant steigenden Energiepreise eine kräftige Delle in unser Haushaltsbudget.

Zu den Gewinnern gehört übrigens auch Ferrari. Der Luxussportwagenhersteller konnte im 2. Quartal Rekordaufträge verbuchen und hat damit die Ziele für 2022 deutlich angehoben. Dem F8 und dem Portofino M sei Dank. Bin schon gespannt, ob der Trend zum E-Antrieb auch vor Maranello nicht halt macht und in Zukunft ein E-Ferrari um die Ecke biegt? Wenn ja, dürfte das wahrscheinlich nichts mit steigenden Spritpreisen zu tun haben. Bei dem Kaufpreis spielen diese eine untergeordnete Rolle.

von | Aug 8, 2022

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