Uncle Sam, Feindbilder und Greenwashing

Mein erster Weg führt mich unabhängig der Uhrzeit zu meiner Kaffeemaschine. Bevor ich meinen geliebten Espresso genießen kann, muss ich aber noch Kaffeebohnen nachfüllen. Auf dem Etikett der Verpackung sehe ich ein bekanntes Nachhaltigkeitssiegel. Das Nachhaltigkeitsthema ist wahrlich allgegenwärtig.

Der Krieg in der Ukraine zieht seit Monaten viele Menschen in den Bann. Die Unsicherheit ist spürbar gestiegen. Und das weit über die Grenzen der Kapitalmärkte hinaus. Allein durch den Konflikt sind 14 Millionen Menschen auf der Flucht. 8 Millionen davon sind Binnenflüchtlinge, 6 Millionen Ukrainer haben sich ins Ausland abgesetzt. Laut einer aktuellen UNHCR- Analyse sind aktuell 104 Millionen Menschen weltweit vor Konflikten, Gewalt, Menschenrechtsverletzungen oder Verfolgung geflohen. Die Welt ist unsicherer geworden. Zum Jahreswechsel waren „nur“ 90 Millionen Menschen auf der Flucht. In der letzten Dekade hat sich die Anzahl der Betroffenen mehr als verdoppelt. Und das ist definitiv keine nachhaltige Entwicklung.

“Auch wenn wir Europäer es gerne anders sehen, greift man im Zweifelsfall doch lieber zum altbewährten US-Dollar.”

Nachhaltigkeit ist auch ein großer Trend der Finanzbranche. Eine Strategie ist die Anwendung von Ausschlusskriterien und in diesem Zusammenhang werden häufig Emittenten ausgeschlossen, die gegen internationale Standards verstoßen. Ziel ist es, dem Emittenten den Zugang zum Kapitalmarkt abzudrehen und damit zu einem Umdenken zu „zwingen“. Ob das bei Russland auch so funktionieren wird, wage ich aber (leider) zumindest kurzfristig zu bezweifeln. Zum einen sitzt Russland auf riesigen Rohstoffreserven, die gerade in diesen Zeiten einen immensen Wert aufweisen – selbst dann, wenn Russland mit einem Embargo in die Enge getrieben wird. Zum anderen ist Russland noch sehr liquide. Wussten Sie, dass Russland im Gegenwert von 105 Milliarden Dollar nahezu ein Drittel aller Reserven des chinesischen Renminbi besitzt? Die Nähe und Sympathie der beiden Länder wird dadurch offensichtlich. Uncle Sam ist das gemeinsame Feindbild. Und das schweißt zusammen. Diese Achse kann es aber auch nicht verhindern, dass der Währungsmarkt noch immer sehr stark vom US-Dollar dominiert wird. Knapp 60% aller Währungsreserven werden in der Leitwährung schlechthin gehalten. Der Anteil des Euros ist seit dessen Einführung vor mehr als 20 Jahren weitestgehend stabil bei 21%. Auch wenn wir Europäer es gerne anders sehen, greift man im Zweifelsfall doch lieber zum altbewährten US-Dollar.

Apropos Nachhaltigkeit! Diese Woche wurde in der Firmenzentrale der Deutschen Bank und ihrer Kapitalanlagegesellschaft DWS eine Razzia durchgeführt. Der Vorwurf steht im Raum, dass das Institut ihre Produkte bewusst „nachhaltiger“ dargestellt haben als sie sind. Eines der Kernziele der EU im Rahmen des EU-Aktionsplan ist es, Finanzströme in eine nachhaltige Richtung zu lenken und Greenwashing den Kampf anzusagen. Der Schaden für das Finanzunternehmen ist bereits angerichtet. Ob es lediglich bei einem Reputationsschaden bleibt, wage ich aber zu bezweifeln.

Auf der Inflationsfront gibt es auch keine Entspannung. In Deutschland hat sich die Inflation im Mai auf 7,9% erhöht. Das ist der höchste Wert seit der Ölkrise im Winter 1973/74. Österreich schwimmt im selben Fahrwasser. Laut einer Schnellschätzung der Statistik Austria ist die Inflation bereits auf 8% und damit den höchsten Wert seit 1975 geklettert. Da bleibt uns nichts anderes übrig, als neidvoll auf die Schweiz hinüberzublicken. Der Franken ist in der Krise sehr stabil und wertbeständig. Von einer 2,5%igen Inflation können Deutsche und Österreicher dieser Tage nur träumen!

von | Jun 4, 2022

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